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Vortrag anlässlich des Musikfests der Jan-Brauers-Stiftung 2017

„Im Namen: Mozart“

Leopold - Wolfgang Amadeus - Franz Xaver
Drei Generationen einer Komponistenfamilie



Zunächst: Die Mozarts sind gar keine eigentliche Komponisten- oder Musikerfamilie. Über die Generationen seit dem ersten bekannten Familienmitglied bis zu den beiden „letzten“ Mozarts waren nur drei Komponisten, dazu kommt Wolfgangs Schwester Maria Anna, genannt das „Nannerl“, die eine bekannte Pianistin und Klavierpädagogin war.

Die Mozarts waren Handwerker, insbesondere in Bauberufen. Unter den Vorfahren unserer drei heutigen Hauptpersonen gibt es Maurer- bzw. Baumeister, Buchbinder, auch einen Bildhauer, Franz Mozart, dessen erhaltene Werke in Kirchen in Neukirchen, Deggendorf und Metten zu sehen sind. Auch Geistliche sind in der Familie vertreten.

Leopolds Vater, Johann Georg Mozart, wurde 1679 in Augsburg geboren, wo die Familie seit dem dreißigjährigen Krieg ansässig war. Er war von Beruf Buchbindermeister, genoss eine hohe Reputation in der Stadt. Das ist daran festzumachen, dass er mehrmals zum Zunftmeister gewählt wurde. Jesuitenkolleg und Domkapitel, die das katholische geistliche und kulturelle Leben in Augsburg wesentlich bestimmten, gehörten zu seinen Kunden.

Der älteste Sohn war Leopold Mozart. Wie es heute auch ist: Die Eltern möchten für ihre Kinder immer das Beste. Der junge Leopold, 1719 geboren, besuchte das Augsburger Jesuitenkolleg St. Salvator und ging danach nach zum Studieren nach Salzburg. 1738 erlangte er den akademischen Grad eines Baccalaureus der Philosophie. Das gleichzeitig begonnene Jurastudium beendete er nicht mehr, sondern entschied sich stattdessen für eine musikalische Laufbahn. Ob das den Vater glücklich gemacht hat, wissen wir nicht.

1740 beginnt Leopolds musikalische Karriere mit seiner Einstellung als Violinist und Kammerdiener beim Salzburger Domherrn Reichsgraf Johann Baptist von Thurn und Taxis. 1743 wurde er unter Fürsterzbischof Leopold Anton Freiherr von Firmian als vierter Violinist in die Salzburger Hofkapelle aufgenommen. 1747 erfolgte die Ernennung zum „Hof- und Cammerkomponist“.

Leopold erwarb sich in der Folgezeit insbesondere als Geiger einen guten Ruf. Seine bis heute als aufführungspraktisches Werk verwendeter „Versuch einer gründlichen Violinschule“ erschien in erster Auflage 1756. Im gleichen Jahr, am 27. Januar, kommt Joannes Chrysostomus Wolfgangus Theophilus Mozart, später bekannt als Wolfgang Amadé bzw. Wolfgang Amadeus Mozart, zur Welt. Von ihm später.

Insbesondere unter Firmians Nachfolger Josef von Schrattenbach scheint Leopold große Wertschätzung erfahren zu haben. Schrattenbach wurde 1754 Fürsterzbischof. 1758 wurde Leopold zweiter Violinist (entspricht heute dem stellvertretenden Konzertmeister), 1763 Vizekapellmeister der Salzburger Hofkapelle. Hatte er 1743 mit 20 Gulden Jahresgehalt angefangen, erhielt er nun 400 Gulden zuzüglich 96 Gulden in Sachleistungen pro Jahr. Das war, gemessen an damaligen Verhältnissen, ein durchaus komfortables Gehalt.

Unter Schrattenbachs Nachfolger Hieronymus von Colloredo scheint sich das Verhältnis zwischen Leopold und seinem Arbeitgeber abgekühlt zu haben. Leopold versuchte, die Karriere seiner beiden Kinder, Wolfgang und Nannerl, nach Kräften zu fördern. Das tat er auch durch ausgedehnte Auslandsreisen, die nach Den Haag, London, später nach Italien, Mannheim und Paris führten. Das geriet in Konflikt mit seinen dienstlichen Obliegenheiten in der Salzburger Hofkapelle. Seit 1772 war auch Wolfgang, dessen Begabung Colloredo durchaus anerkannte, als Konzertmeister in Salzburg angestellt. Zum 1. September 1777 wurden beide entlassen, da sie immer wieder um Sonderurlaube baten, um ihre zahlreichen Auslands- und Konzertreisen durchzuführen. Leopold muss danach wohl nachgegeben haben: zum 26. September 1777 wurde er per Dekret wiedereingestellt, mit dem Zusatz „dass er sich mit dem Kapellmeister und andern bey der Hofmusik angestellten Personen ruhig und friedlich betragen werde“.

Auch Wolfgang kehrte zunächst, nach dem vergeblichen Versuch, in Paris Fuß zu fassen, nach Salzburg zurück, trat 1779 die Stelle des Hoforganisten an, um dann aber 1781 endgültig den Dienst zu quittieren – der Fußtritt des Grafen Arco, mit dem er endgültig aus Salzburger Diensten gestoßen wurde, ist in seinen eigenen Briefen überliefert.

Hier sei ein erster sozialgeschichtlicher Einschub gemacht: Leopolds Karriere ist die eines typischen, recht erfolgreichen, aber nicht besonders bemerkenswerten Musikers des Barock und der Vorklassik. Die höfische Umgebung ermöglicht Existenzsicherung, das feste Engagement hat aber auch Nachteile. Je nach Intensität der Arbeit in der „Hofmusik“ blieb wenig Zeit für andere Engagements. Neben den Höfen entwickelte sich in der Mitte des 18. Jahrhunderts zunehmend eine bürgerliche Konzertkultur, die für Komponisten und Interpreten gute Einnahmemöglichkeiten bot. Das betraf zunächst die Gattung Oper, dann aber auch zunehmend instrumentale Gattungen. Der Begriff des Virtuosen begann, Bedeutung zu gewinnen.

Der Laufbahnunterschied zwischen Leopold und Wolfgang markiert genau diese gesellschaftshistorische Zäsur des stärker werdenden Bürgertums. Der Vater riskierte die Freiberuflichkeit letztlich nicht, sondern entschied sich für die sichere Existenz. Der Sohn, durch die frühen Erfolge seiner Reisen als Kindervirtuose selbstbewusst, entschied sich dafür, auf die feste Anstellung zu verzichten und in Wien, der habsburgischen Metropole, freiberuflich zu bleiben. Dass er dies im Wesentlichen mit großem Erfolg schaffte, steht nach heutigem Forschungsstand außer Zweifel.

Das nach dem Führungsversagen der landesherrlichen Eliten im dreißigjährigen Krieg gestärkte Selbstbewusstsein des Bürgertums trug schließlich zur französischen Revolution bei, die ganz Europa von Grund auf veränderte.

Zurück – ein letztes Mal – zu Leopold: Das Verhältnis zwischen Vater und Sohn kühlte sich nach Wolfgangs Umzug nach Wien merklich ab. Leopold konnte letztlich den Schritt Wolfgangs, eine gesicherte Existenz zu verlassen, nicht verstehen: ein klassischer Generationenkonflikt. Trotzdem blieben sie in regem Briefkontakt, bis zu Leopolds Tod 1787.

Einige Worte zu Leopolds Musik: Er hat sehr viele Werke hinterlassen, unter anderem 48 Sinfonien, mehrere Instrumentalkonzerte, drei Klaviersonaten, Kammermusik. Der Stil ist, wie man so schön sagt, zeittypisch. Nach dem musikalischen Paradigmenwechsel am Ende des Barock, dessen bekannteste Exponenten die „Mannheimer“ Komponisten Stamitz, Cannabich, Holzbauer und die Bach-Söhne, vor allem Johann Christian und Carl Philipp Emanuel sind, steht Gefälligkeit auf der einen Seite, unmittelbarer Ausdruck der Empfindungen auf der anderen Seite, im Vordergrund: „Galanter“ und „empfindsamer“ Stil prägen den kompositorischen Diskurs der Lebenszeit Leopolds.

Das heute Abend gespielte Werk, eines von sechs Klaviertrios, einer damals noch nicht gebräuchlichen Gattung in der Nachfolge der Sonate für Violine und Generalbass, gehört eindeutig in die „galante“ Ecke seiner Zeit. Da Leopold und Johann Christian Bach, den die Mozarts 1766 in London besuchten, einander kannten und schätzten, liegt es nahe, dort einen musikalischen Einfluss festzumachen.

Nun zum Sohn: Was sollen wir hier über den wohl berühmtesten aller Komponisten hören, den Europa, wahrscheinlich die Welt je hervorgebracht hat: Neues werde ich Ihnen nicht erzählen können. Die frühe Biographie haben wir bereits kurz umrissen. Nun zu den Wiener Jahren.

Nach seiner Niederlassung in Wien heiratete Wolfgang 1782 ein Mädchen, das er bereits auf seinen Reisen kennengelernt hatte: Constanze Weber, die Tochter des Mannheimer Kontrabassisten Franz Fridolin Weber. Vater Leopold war übrigens grundsätzlich gegen eine Ehe Wolfgangs mit einer „Weberischen“. Das bezog sich auch auf Constanzes Schwester Aloysia, in die sich der junge Wolfgang auf seiner Reise nach Paris in Mannheim verliebt und mit der er sich verlobt hatte. Vielleicht hat das dazu beigetragen, dass Wolfgang Salzburg verlassen wollte. Sie war übrigens Cousine von Carl Maria von Weber, dem berühmten deutschen Komponisten der Frühromantik, dem wir unter anderem den „Freischütz“ verdanken.
Übrigens etwas zur Herkunft der Familie Weber: Sie stammt aus Zell im Wiesental, sind also unsere Schwarzwälder Landsleute.
Den Durchbruch erzielte Wolfgang, dem als Komponist bereits ein guter Ruf vorausging, mit seiner Oper „Die Entführung aus dem Serail“, uraufgeführt im Juli 1782. In den folgenden Jahren bis ca. 1787 war er sowohl als Komponist als auch als konzertierender Musiker und Instrumentallehrer sehr gefragt.

Der Musikwissenschaftler Volkmar Braunbehrens hat es als erster unternommen, Wolfgangs Einkommen, über das wir durch Briefe und andere Quellen sehr gut unterrichtet sind, in heutige Kaufkraft umzurechnen. Es entspricht einer Summe von über 100.000 Euro pro Jahr. Dementsprechend hoch waren auch die Ausgaben, so dass wenig Reserven gebildet wurden. Constanze war in den acht Jahren ihrer Ehe mit Wolfgang sechsmal schwanger – ausgedehnte Kuraufenthalte und hohe Kosten für ihre Gesundheit waren die Folge.

Wien, die Metropole des Habsburgerreichs, war damals schon ein teures Pflaster, so dass die Lebenshaltungskosten ebenfalls hoch waren. Um 1800 hatte die Stadt knapp eine halbe Million Einwohner, 1870 war sie mit ca. 900.000 Einwohnern die viertgrößte Stadt der Welt nach London, Paris und New York.

Wolfgang schrieb in den „fetten Jahren“ bis 1787 den größten Teil seiner heute berühmten Werke: Opern, Sinfonien, Kammermusik. Einen nachhaltigen Bruch in Wolfgangs Erfolgsgeschichte gab es ab 1786. Die Uraufführung der Oper „Le nozze di Figaro“, deutsch „Die Hochzeit des Figaro“ war politisch brisant: Der adlige Grundherr, Graf Almaviva wird hier letztlich als antiquierter, autoritärer Verlierer dargestellt. Das konnte dem vorrevolutionären Wiener Publikum, Adel und Großbürgertum, nicht gut gefallen. Das Publikum ging auf Distanz. Seine großen Erfolge feierte Wolfgang fortan eher in Prag als in Wien, wo seit der Einverleibung Böhmens durch die Habsburger nach dem 30jährigen Krieg eine eher habsburgkritische Stimmung vorherrschte. Die enge Freundschaft zur Familie Duschek in Prag wird später in der Biographie von Wolfgangs Sohn Franz Xaver noch eine Rolle spielen.

Hier eine zweite allgemein historische Anmerkung: Die politische Unruhe, getrieben durch die Krise der französischen Monarchie, nahm zu. Das erstarkende Bürgertum war besonders im zentralistischen Frankreich, aber auch in anderen Ländern Europas, mit den absoluten Monarchen zunehmend unzufrieden. Es begann eine sehr politische, weniger durch die Kunst als vielmehr durch gesellschaftliche Entwicklungsdynamik geprägte Phase der Geschichte. Dass Habsburg von der Revolution verschont blieb, ist auch dem Monarchen Joseph II. zu verdanken, der viele Reformen und Modernisierung vorwegnahm – eine Politik, die in Frankreich im Wesentlichen unterblieben war.

Die Bereitschaft der möglichen Mäzene, für Kultur und insbesondere für Musik Geld auszugeben, nahm deshalb ab 1787 insgesamt spürbar ab. Mozart geriet in eine wirtschaftliche Schieflage, die er nur durch Anleihen bei Freunden und Bekannten abwenden konnte. Der Tod des Vaters Leopold 1787 mag ihn zusätzlich getroffen und auch beeinträchtigt haben. Denn obwohl das Verhältnis zum Vater nicht ohne Spannungen war, haben sich die beiden regelmäßig geschrieben, Leopold hatte Wolfgang zwei Mal in Wien besucht, und er blieb bis zum Ende seines Lebens eine wichtige Bezugsperson, von der Wolfgang auch immer wieder Bestätigung seines Tuns erhoffte.

Dass er aber 1791 arm gestorben sei, wie seit dem frühen 19. Jahrhundert seine Biographen immer wieder behaupten, ist Legende. Letztlich hat er es stets geschafft, seine Existenz zu finanzieren. Mit der Uraufführung der „Zauberflöte“ deutete sich 1791 auch eine neue Erfolgsphase an, die er jedoch wegen seines frühen Todes nicht mehr erlebte.

Auf die beiden anderen Legenden, Mozart sei in einem Armengrab beerdigt worden und er sei vergiftet worden, will ich hier nur insoweit eingehen, dass ersteres schlicht und einfach falsch ist. Mozart erhielt ein standesübliches Begräbnis, und die Tatsache, dass sein Grab heute unbekannt ist, liegt daran, dass Constanze erst viele Jahre später den Versuch machte, es zu lokalisieren. Dies misslang ihr dann.

Für eine Vergiftung gibt es nicht den geringsten Beleg. Tode durch ungeklärte Ursache, falsche medizinische Behandlung und grassierende Krankheitswellen waren damals an der Tagesordnung.

Ich will auf die beiden Werke eingehen, die wir heute Abend hören. Das Trio für Klarinette oder Violine, Viola und Klavier KV 498 entstand für die mit Wolfgang sehr eng befreundete Familie Jacquin. Nikolaus von Jacquin war ein sehr bekannter Botaniker und Biologe, dem wir die zeitgenössische Neuanlage des Wiener Botanischen Gartens verdanken. Seine Tochter Franziska war Klavierschülerin von Wolfgang – für sie entstand der Klavierpart des Trios KV 498.

Wolfgang hat in den letzten Jahren – und dafür mag dieses Trio, 1787 entstanden, ein frühes Beispiel geben – seinen Kompositionsstil geändert. Die Ornamentik tritt gegenüber der weiten Spannung musikalischer Gedanken zurück. Der Beginn mit einem eher langsamen Satz scheint ein stilistischer Rückgriff auf seine früheste Schaffensperiode, passt aber in diese stilistische Entwicklung. Überhaupt ist das Werk eher verhalten und lyrisch in seinem Ausdruck. Auffallend ist das sehr ausgedehnte und virtuose Menuett als Mittelsatz.

Ob die Oberstimme im Original für Klarinette oder für Violine geschrieben ist, darüber lässt sich trefflich streiten. Beides ist schön, beides geht gut. Das erhaltene Autograph notiert die Klarinette, die Erstausgabe vom Verlag Artaria die Violine. Wir machen’s heute mit der Violine. Die Bratschenstimme hat Wolfgang wohl für sich selbst komponiert, da das Werk in einem Hauskonzert der Jacquins uraufgeführt wurde.

Das Klaviertrio G-Dur KV 564 entstand in Wolfgangs letzter Schaffensphase. Die wirtschaftliche Situation war, wie ich bereits erwähnte, angespannt. Es gibt eine umfangreiche wissenschaftliche Diskussion darüber, ob dies seine Werke beeinflusst habe. Ich glaube daran nicht. Es ist das letzte Klaviertrio, das er fertiggestellt hat, und schon die Wahl der Tonart G-Dur deutet eher auf eine helle Grundstimmung hin. Bemerkenswert ist vor allem der sehr elegante Schlusssatz – in seiner beschwingten Dreiermetrik ein musikalischer Vorgriff auf das 19. Jahrhundert.

Von den sechs Kinder Wolfgangs und Constanzes überlebten zwei: Carl Thomas, der Verwaltungsbeamter wurde, heute würde man sagen „im höheren Dienst“ und Franz Xaver, der dritte Komponist mit dem Nachnamen Mozart.

Franz Xaver hat seinen Vater nicht kennengelernt. Im Sommer 1791 geboren, war er etwa 6 Monate alt, als Wolfgang starb. Mutter Constanze, die kurzfristige wirtschaftliche Schwierigkeiten zu überstehen hatte und die Haushaltsauflösung zu organisieren hatte, profitierte bald vom zunehmenden Nachruhm ihres verstorbenen Ehemannes. 1796 ist Franz Xavers erster musikalischer Auftritt überliefert: Er habe auf einer Gesellschaft in Prag das erste „Papageno-Lied“ aus der Zauberflöte vor Publikum gesungen. Daraufhin gab Constanze die beiden Söhne für ein halbes Jahr zur Familie Duschek nach Prag, wo Franz Xaver die erste musikalische Ausbildung erhalten haben mag.

Mutter Constanze muss früh eine musikalische Begabung erkannt haben. Franz Xaver lernte, zurückgekehrt nach Wien, bei den bekannten Komponisten der Zeit Komposition und Klavierspiel. Als Pianist hatte er, Schüler von Sigmund von Neukomm und Andreas Streicher, später von Johann Nepomuk Hummel und Johann Georg Albrechtsberger, bald einen guten Namen.

Die Parallelen zur Wunderkind-Karriere des Vaters 30 Jahre zuvor sind unübersehbar. Bereits im Alter von 11 Jahren erschien Franz Xavers erstes Klavierkonzert im Druck, ein Werk, das sich durchaus hören lässt und sogar gelegentlich aufgeführt wird.

Aus dieser Frühzeit, aus dem Jahr 1805 oder früher, stammt auch das Klavierquartett op. 1, das wir heute Abend spielen. Sieht man sich den anspruchsvollen Klavierpart an, so wird deutlich, dass Franz Xaver bereits im Alter von 15 Jahren technisch durchaus „erwachsen“ war.

Auch musikalisch ist das Werk, das symphonische Züge aufweist, auf der Höhe der Zeit, vergleichbar mit Kompositionen von Hummel, Clementi und anderen Zeitgenossen. Es zeigt sich der Umbruch von der Wiener Klassik zur bürgerlich geprägten Romantik. Der Kopfsatz ist kraftvoll und affirmativ, der langsame Mittelsatz mit seiner sehr ausgefeilten Melodik sehr lyrisch und innerlich, der Schlusssatz eine virtuose Folge von Variationen, konventionell gearbeitet, aber mit guten Einfällen und viel Geschmack.

Sein zweites Klavierkonzert wurde von ihm selbst im Alter von 13 Jahren aufgeführt. Der Ertrag belief sich auf die sehr hohe Summe von 1700 Gulden. Bei einem Kaufkraftverhältnis von etwa 1:10 zum Euro wären das 17.000 Euro für ein einziges Konzert gewesen. Nicht schlecht!

Ab 1813 ging Franz Xaver nach Lemberg, arbeitete dort als Instrumentallehrer für verschiedene adlige Familien, wohl auch mit gutem Erfolg. Aus dem Jahr 1816 ist eine ausgedehnte Konzertreise überliefert, die unter anderem nach St. Petersburg, Königsberg, Berlin, Danzig, Prag, Leipzig, Dresden führte.

In den folgenden Jahren versuchte Franz Xaver, dem Vorbild des Vaters folgend, in Wien Fuß zu fassen, letztlich aber ohne Erfolg. 1822 kehrte er deshalb nach Lemberg zurück, wo er bis 1838 wieder als Musiklehrer tätig war.

Der danach folgende zweite Aufenthalt in Wien, bei dem er sich vornehmlich der Aufführung der Werke Wolfgangs widmete, war erfolgreicher. Unter anderem wurden die Streichquartette vom damals berühmten Jansa-Quartett aufgeführt. Gemeinsam mit Bruder Carl Thomas kümmerte sich Franz Xaver um die Gründung des Mozarteums, bis heute die wichtigste MozartForschungsstätte weltweit.

Und hier ein letzter sozialgeschichtlicher Einwurf: Franz Xavers Leben zeigt deutlich das „Ende“ der alten Ordnung. Wenn ein Komponist nicht großen Ruhm erlangte – dann war er als Virtuose gefragt oder erhielt große Kompositionsaufträge – dann war er insbesondere auf die Konzert- oder Unterrichtstätigkeit angewiesen. Die traditionellen Anstellungen bei Hof oder bei der Kirche boten keine breite Lebensgrundlage mehr.

1843 erkrankte Franz Xaver. Begleitet von seinem nachmals berühmtesten Klavierschüler, dem Pianisten Ernst Pauer, ging er nach Karlsbad zur Kur. Dort muss sein Zustand sich verschlechtert haben. Franz Xaver starb am 29. Juli 1844 in Karlsbad und ist dort auch begraben.

Nach sehr erfolgreichem Beginn seiner musikalischen Karriere muss Franz Xaver, der lebenslang als Komponist nicht unter eigenem Namen, sondern als „Wolfgang Amadeus Mozart fils“, französisch für „Sohn“ firmierte, letztlich der ungeheuren Berühmtheit des Vaters Tribut zollen. Zeitgenossen sagen, er habe darunter sehr gelitten, obwohl er sich um die Werke seines Vaters in hohem Maß verdient gemacht habe. Eine gewisse Tragik ist seinem Leben also nicht abzusprechen. Dies macht auch der Dichter Franz Grillparzer in seinem Nachruf auf Franz Xaver deutlich. Und mit diesem Nachruf beende ich meinen Vortrag.
Freuen Sie sich danach auf unser Konzert.

Am Grabe Mozart des Sohnes
So bist du endlich hingegangen,
Wohin der Geist dich ewig zog,
Und hältst den Großen dort umfangen,
Der adlergleich zur Sonne flog.

Daß keiner doch dein Wirken messe,
Der nicht der Sehnsucht Stachel kennt,
Du warst die trauernde Zypresse
An deines Vaters Monument.

Wovon so viele einzig leben,
Was Stolz und Wahn so gerne hört,
Des Vaters Name war es eben,
Was deiner Tatkraft Keim gestört.

Begabt, um höher aufzuragen,
Hielt ein Gedanke deinen Flug;
»Was würde wohl mein Vater sagen?«
War dich zu hemmen schon genug.

Und wars zu schaffen dir gelungen,
Was manchen andern hoch geehrt,
Du selbst verwarfst es, kaum gesungen,
Als nicht des Namens Mozart wert.

Nun öffnen sich dem guten Sohne
Des großen Vaters Arme weit,
Er gibt, der Kindestreu zum Lohne,
Ein Teilchen dir Unsterblichkeit.

Der Name, dir ein Schmerzgenosse,
Er wandelt sich von heut in Glück;
Tönt doch von Salzburgs Erzkolosse
Ein Echo auch für dich zurück.

Wenn dort die Menge sich versammelt,
Ehrfürchtig Schweigen alle bannt,
Wer dann den Namen Mozart stammelt,
Hat ja den deinen auch genannt.


Vielen Dank!


Autor: Dr. Mark Heinzel
Musikwissenschaftler
Vorstand der Jan-Brauers-Stiftung


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